Projekt Neuer.Raum:Eine Gemeinde in Bewegung: auf dem Weg zu den Menschen
Ein Abend mit dem Bonner Liturgiewissenschaftler Prof. Dr. Albert Gerhards
Am 02.09.2021 war die Gemeinde eingeladen zu einem Vortrag von Prof. Dr. Albert Gerhards, um weiter über die Umgestaltung des Kirchenraumes in Heilig Geist nachzudenken. Es sollte dabei nicht nur um die Frage „Kirchenbänke oder Stühle“ gehen. Eng damit verbunden sind auch andere Fragen „Wie hängen Kirchenraumgestaltung und Liturgie zusammen?“ und „Wie kann Kirche – als Haus und Gemeinde – sich zur Ortsgemeinde, zum Veedel hin öffnen.“ Ich möchte hier einige Gedanken aus dem Vortrag, manchmal verknüpft mit eigenen Assoziationen, wiedergeben.
Prof. Gerhards begann mit dem Gedicht „Reklame“ von Ingeborg Bachmann, das beginnt mit den Worten: „Wohin aber gehen wir – ohne sorge sei ohne sorge – wenn es dunkel und wenn es kalt wird – sei ohne sorge“. Genau an der Stelle sind wir als Gemeinde, wenn in den letzten Monaten aus verschiedenen Teilen des Erzbistums und darüber hinaus, von umgewidmeten Kirchen die Rede war: Kirchen wurden zu Sporthallen, zu Wohn- und Geschäftshäusern, zu Restaurants, zu Buchhandlungen… oder wurden ganz abgerissen wie kürzlich der „Immerather Dom“. Können wir das für unsere Kirche verhindern? Können wir dafür sorgen, dass Zum Heiligen Geist zu einem Kraftort wird, nicht nur für die, auch durch Corona, schrumpfende Gottesdienstgemeinde, sondern für viele Menschen im Stadtteil, egal welcher Konfession oder Religion? Können wir verhindern, dass es zu einer Versteinerung von Kirche und Gemeinde kommt und diese Steine dann als nutzlos beiseite geräumt werden?
Kirchenräume im Wandel der Zeit
Erst seit dem 19. Jahrhundert gibt es die scharfe Trennung zwischen sakralen und profanen Räumen – vorher waren Kirchen „Lebensräume“. Mir fiel dabei eine Kirche in Bethlehem ein, die sog. Milchgrotte ganz in der Nähe der Geburtskirche. Dort befindet sich ein Bild der stillenden Gottesmutter, zu dem Christinnen und Musliminnen pilgern: wären manche von uns empört, wenn eine Mutter in der Kirche ihr Baby stillen würde?
Verschiedene Kirchen im Erzbistum (St. Helena in Bonn, St. Michael und das Jugendpastorale Zentrum Crux in Köln, Unbefleckte Empfängnis in Wipperfürth, die ehemalige Clarissenkirche in Kalk oder die frühere Waisenhauskirche in Sülz – um nur einige Bespiele zu nennen) versuchen bereits eine solche Erweiterung vom sakralen Raum zum Lebensraum.
Eine zentrale Frage bei der Umgestaltung von Kirchenräumen, auch unserer Kirche Zum Heiligen Geist, bleibt: wie feiern wir, wie wollen wir Eucharistie feiern? In dem Zusammenhang stellen sich noch viele Fragen, so Gerhards: Wie wollen wir im Kirchenraum Feste feiern (Ostern, Pfingsten, Erntedank, Weihnachten, Erstkommunion, Hochzeiten…)? Oder: Was ist das Besondere, das Christen vor Gott tun, wenn sie Gottesdienst feiern? Im Judentum standen die Menschen zur Zeit Jesu außerhalb des inneren Tempelbezirks: es gab den Vorhof der Heiden (von dort war Nichtjuden der Übergang in einen der anderen Bereiche unter Androhung der Todesstrafe verboten), getrennte Bezirke für Männer und Frauen, die Priester hielten sich im Bereich des Opferaltars und der Schlachtplätze auf, und nur der Hohepriester durfte das Allerheiligste – einmal im Jahr an dem hohen Festtag Jom Kippur – betreten. Für die katholische Kirche hatte u.a. das Konzil von Trient viele Rituale festgeschrieben und erst Pius X. und später vor allem die Liturgische Bewegung unter der Führung von Romano Guardini haben den Blick für weitere liturgische Aspekte wieder geöffnet.
Kirchenräume und Liturgie
Kirchenräume und Liturgie haben sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gegenseitig beeinflusst. In den Hauskirchen der frühen Kirche stand das Mahl im Mittelpunkt. Als später Basiliken errichtet wurden, konnten Prozessionen stattfinden. Als mit dem II. Vaticanum die Altäre in den Kirchen vom hochgelegenen Chorraum nach unten ins Hauptschiff versetzt wurden, konnte sich im Bewusstsein aller Teilnehmenden wieder stärker ein Bewusstsein entwickeln, miteinander in Beziehung zu sein und gemeinsam Mahl zu halten. Das sind nur einige Aspekte, die von Veränderungen der Gottesdienstgestaltung im Laufe der Jahrhunderte zeugen. Machen wir uns auf den Weg zu weiteren…
Zum Schluss stellte Prof. Gerhard noch einige Fragen bezogen auf unsere Gemeinde und unser Projekt „Gemeinde auf dem Weg“:
- Welche Qualitäten hat dieser Raum, hat diese Kirche?
- Was soll vom Alten bleiben? Was wünsche ich mir?
- Welche Umgestaltung verträgt dieser Raum?
- Welche Konsequenzen ergeben sich aus räumlichen Veränderungen?
- Was bedeutet Multifunktionalität für diesen Raum, für unsere Gemeinde, wenn man berücksichtigt, dass eine Hauptaufgabe von Gemeinde Diakonie ist?
- Welche Notwendigkeiten ergeben sich aus der von einer christlichen Gemeinde geforderten Gastfreundschaft?
- Wie kann der liturgische Raum variabel gestaltet werden, sowohl für unterschiedliche liturgische Feiern als auch für profane Veranstaltungen? Wie lassen sich also Raum und Handeln im Raum (Gottesdienst und andere Vollzüge) besser aufeinander abstimmen?
Uns bleibt also in der nächsten Zeit noch viel zu überlegen und viel zu tun!