Gemeinde:Bunte Vielfalt in der Gemeinde Zum Heiligen Geist und anderswo
Regenbogen als Zeichen des Bundes
Als ich vor knapp einem Jahr am Sonntagmorgen zum Gottesdienst in meine Pfarrkirche Zum Heiligen Geist ging, freute ich mich, dort an einem Fahnenmast eine Regenbogenfahne zu sehen. Auch vor anderen Kirchen der Pfarrgemeinden Am Südkreuz wehten die bunten Fahnen. Wenige Monate später las ich in der Weihnachtsausgabe von „Spektrum“, dass das Aufhängen der Fahnen auch Kritik ausgelöst hatte – das machte mich traurig: denn der Regenbogen ist eins meiner biblischen Lieblingssymbole. Es steht für mich für die Beziehung Gottes zu allen Lebewesen (s. Gen 9,12-17). Vers 17 lautet in der neuen Einheitsübersetzung von 2016: „Und Gott sprach zu Noach: Dies ist das Zeichen des Bundes, den ich zwischen mir und allen Wesen aus Fleisch auf der Erde aufgerichtet habe.“ Dieser Bund Gottes mit allen Menschen ist eine Verpflichtung, eine Aufgabe für uns, auch untereinander verbunden zu sein: für die Völker und ihre Führer, für Parteien und ihre Verantwortlichen, für Religionsgemeinschaften und soziale Gruppen in Gesellschaft und Kirche.
In den letzten Jahrzehnten haben verschiedene Gruppen dieses Regenbogensymbol für sich entdeckt, z. B. die Friedensbewegung und in jüngerer Zeit Gruppen queerer Mitmenschen oder auch die Bewegung vor allem junger Menschen „Fridays for Future“; sie alle tragen das Symbol oft bei Veranstaltungen und Demonstrationen mit sich. Für mich steht das Symbol auch für Ökumene, seit ich vor vielen Jahren als Gasthörerin am ökumenischen Studienjahr in Jerusalem teilgenommen habe – eine Ökumene, die nicht nur die christlichen Kirchen umfassen sollte: seit einigen Jahren gibt es dort auch einen regen Austausch mit muslimischen Theologie-Studierenden. Laurentius Klein, OSB, Abt-Administrator der Dormitio-Abtei in Jerusalem von 1969 – 1979 und Begründer des Theologischen Studienjahres, entdeckte am Anfang seiner Amtszeit bei einer Wüstenwanderung im Sinai ein in Stein gemeißeltes Kreuz mit einem Bogen darüber, das wohl frühchristliche Pilger dort hinterlassen hatten: das Regenbogenkreuz, das zum Abteiwappen und Logo von Abtei und Studienjahr wurde. Es vereint die Erinnerungen an den Bund Gottes mit der ganzen Schöpfung (Regenbogen); den Bund Gottes mit den 12 Stämmen Israels, seinem auserwählten Volk – ein Gedanke, der mir in einer Zeit von zunehmendem Antisemitismus besonders wichtig zu sein scheint – und auch mit den 12 Aposteln als Urzelle von Kirche (die Gabelungen am Ende der Kreuzesbalken) und den zusätzlichen Bund mit der Kirche im Zeichen des Kreuzes – ohne Aufkündigung des vorherigen Bundes mit Israel.
Symbol für alle
Gott hat mit dieser Zusage im Noach-Bund: „Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden“ (Gen 9,11b), dieser Selbstverpflichtung, einen Teil seiner Macht abgegeben. Wie kann es da sein, dass Kirche als Institution Macht an sich reißt und damit auch Unfrieden stiftet? Ich finde es z. B schön, dass es in unserer Gemeinde üblich ist, dass Priester und Gemeinde gemeinsam kommunizieren: ein kleines Zeichen von Aufgabe hierarchischer Macht und Ordnung. So könnte es viele weitere Zeichen geben, nicht nur zwischen Klerikern und Laien: zwischen Alt und Jung, zwischen Männern und Frauen, zwischen Gruppen verschiedener sexueller Orientierung und verschiedenen Formen des Zusammenlebens oder auch von Alleinlebenden, wiederverheiratet Geschiedenen, und, und, und…Für das Ausstoßen aus der Gemeinschaft der Kirche waren in der Vergangenheit übrigens oft nicht nur Amtsträger verantwortlich, sondern auch Gemeindemitglieder untereinander. Aber die Bundeszusage Gottes gilt für alle Menschen, ohne Ausnahme.
Und so ist das Symbol des Regenbogens, auch die Regenbogenfahne, ein Symbol für uns alle, und sollte meiner Meinung nach von keiner Gruppe für sich allein beansprucht werden – aber natürlich auch keiner Gruppe vorenthalten werden. Es enthält einen Auftrag für uns alle, der in den Abschiedsreden Jesu zum Ausdruck kommt: „Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch sein Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ (Joh 17,29f).