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Gemeinde:120 Jahre St. Matthias – Geschichte und Geschichten zur Bayenthaler Pfarrkirche

Erinnerungen an den Weihetag am 25. September 1904 - „Heute ist ein besonderer Tag. Heute feiern wir Kirchweihe. Vor 120 Jahren, am 25. September 1904 ist dieses Gebäude von Antonius Kardinal Fischer, der damals Erzbischof von Köln war, geweiht worden.“ Mit diesen Worten begann Hanns Ley, seit fast sechs Jahrzehnten der Bayenthaler Pfarrkirche verbunden, seinen kenntnisreichen und informativen Gang durch Geschichte und Geschichten dieses Kölner Vorortes und seiner katholischen Kirchen.
Alt-St. Matthias von Vinzenz Statz (heute Ecke Goltstein-/Bonifazstraße
Datum:
29. Okt. 2024
Von:
Dieter Eil

Bau und Weihe 1904

St. Matthias 1904 mit Josefshaus und altem Pfarrhaus

Begleitet wurde er von einem Team mit Andrea Faulhaber (Brudermeisterin der St. Matthias-Bruderschaft), Dorian Heidorn (viele Jahre Messdiener in St. Matthias), Thomas Warnke (Pfarrsekretär und begnadeter Krippenbauer) und Küster Tobias Falkenroth. Eingeleitet hatte den Nachmittag Organist Christopher Knabe mit Max Regers Orgelfantasie „Ein feste Burg ist unser Gott“, die in den Gründungsjahren des Gotteshauses entstanden war. Zu Beginn freute sich Ley, neben vielen Gemeindemitgliedern in der gut gefüllten Kirche auch zahlreiche ehemalige Bayenthaler und vor allem den Kölner Künstler Walter Prinz begrüßen zu können, der Ende der 80 Jahre bei der Renovierung und Neugestaltung von St. Matthias umfangreich künstlerisch mitgewirkt und neben Altar, Ambo und weiteren Ausstattungsgegenstände auch die Ausmalung des Chores geschaffen hatte. „Mit dieser Führung in besonderer Form durch knapp 15 Jahrzehnte und dem folgenden Festgottesdienst ehren wir den Weihetag“, sagte Ley. „Daneben wollen wir auch die Zeichen, Gesten und Symbole näherbringen, die zu einer Kirchweihe wie 1904 gehören.“

Die Geschichte der Gemeinde sei eng mit der Entwicklung des Stadtteils verbunden. 1862 hätten von den 900 Einwohnern viele in der Holzschneidemühle von Boisseree gearbeitet. Zahlreiche Industrielle seien zur Errichtung von Fabriken veranlasst worden, so die Kölnische Maschinenbau Aktiengesellschaft von l856 auf dem Gelände des heutigen „Wohnparks“. Dort sei der eiserne Dachstuhl des Kölner Doms gefertigt worden. Deren Generaldirektor Martin Hubert Goltstein, der Kassierer Hermann Lenders und die beiden Holzhändler Bernhard Boisseree und M. Rouply hätten am 7. April 1862 beschlossen, mit eigenen Mitteln auf einem der Maschinenfabrik gehörenden Grundstück Ecke Martin-/ Kirchstraße (heute Goltstein-/ Bonifazstraße mit dem „Mega Market“ von Ahmet Algen) ein zweischiffiges Gotteshaus zu bauen. Als Baumeister sei der berühmten Vinzenz Statz, einer der bedeutendsten Vertreter der Neugotik im Rheinland engagiert worden. Laut Gemeindechronik habe ein Matthias Krings zweitausend Taler für den Bau gegeben. Einzige Bedingung: das neue Kirchlein solle den Namen seines Patrons „Matthias“ tragen. Zur Weihe der Kirche sei es gelungen, eine Reliquie des Hl. Matthias zu beschaffen, die später mit dem Namen auf das heutige Gotteshaus und die Gemeinde überging. 

 

St. Matthias innen 1910

Zum Schmunzeln brachte Ley die Zuhörer, als er aus der Gemeindechronik zitierte, „das sittlich-religiöse Leben habe zu wünschen übriggelassen und die Industrie allerlei Elemente zusammengeführt, sodass sich Bayenthal in einem traurigen Zustand befand“. Der erste Geistliche der Gemeinde sei aus Essen gekommen, habe sich frühzeitig einmal seine neue Stelle ansehen wollen und am Bahnhof eine Pferdedroschke genommen. Als er dem Kutscher sein Ziel Bayenthal nannte, habe der gestöhnt: „Ihr sitt doch do nit anjestellt woode?“, „Doch“, sagte er, worauf er die bezeichnende Antwort gab: „0 jömmig! Dann weIl ich Üch ald ommesöns hinfahre“.

Die Industrie in Bayenthal habe nach Ende des Krieges 1870/1 einen weiteren Aufschwung erlebt. „Die Zahl der Gemeindemitglieder wächst. 1896 erhebt Erzbischof Krementz die Kapellengemeinde zur selbständigen Pfarrgemeinde. Mit Franz Ludwig Maybaum kommt ein außerordentlich tüchtiger Seelsorger und geschickter Bauherr nach St. Matthias. Er baut das Pfarrhaus an der Bernhardstraße – dort steht heute der Kindergarten An St. Matthias -, das Krankenhaus und schließlich die neue Kirche auf dem Matthiaskirchplatz“. Für deren Planung im neugotischen Stil sei Architekt Theodor Kremer gewonnen worden, bekannt geworden durch etliche gelungene Kirchenbauten im Raum Köln. Im Oktober 1902 sei der Grundstein gelegt worden. Schon zwei Jahre später stand ein neugotischer Bau, über den die Kölnische Zeitung im September 1904 berichtete, „in Bayenthal sei „ein imposanter Neubau entstanden, der sich in den Rahmen der großen Bauten der Stadt trefflich einfügt.“ 

Die Kirche sei dann am 25. September 1904 durch Erzbischof Antonius Hubert Kardinal Fischer eingeweiht worden, berichtet Hanns Ley. „Ihr Inneres zeigt einen freundlichen lichten Raum, eine dreischiffige Hallenkirche. Als ein wirkliches Schmuckstückchen schildert die Chronik den Chorraum“.

Krieg und Nachkriegszeit

Am 13. Juli 1952 feiert die Gemeinde mit Kardinal Frings und Pastor Panten die erste Messe in der „neuen“ Kirche

„In den folgenden Jahrzehnten“, so Hanns Ley weiter, „zeigt sich die Weitsicht der Bauherren von St. Matthias. Bayenthal wächst, schnell wird die Pfarrkirche zum Mittelpunkt des Stadtteils. 1939 wird das Marienburger Rektorat abgeteilt und selbständig. Am 1.Januar 2004 haben sich die beiden Gemeinden unter dem leider viel zu früh verstorbenen Pfarrer Hans Stieler dann wieder zu einer Gemeinde St. Matthias und Maria Königin zusammengeschlossen.“

In den 30er Jahren beginnen die Wirren der Vorkriegs- und Kriegszeit mit offener Kirchenverfolgung auch in Bayenthal. Am 31.Mal 1942 wird St. Matthias bei einem Fliegerangriff schwer beschädigt: Eine Sprengbombe zerstört schließlich am 4. Juli 1943 das Innere. Die Fenster werden herausgerissen, das Gewölbe stürzt ein. „Den Rest“, so schildert es ein Augenzeuge, „bekommt St. Matthias, als die Amerikaner am 5. und 6. März 1945 in Bayenthal einmarschieren und die deutsche Artillerie von der rechten Rheinseite auf Bayenthal schießt und vieles in Schutt und Asche legt, was die Bombenangriffe überstanden hat“.

Die Zeitreise geht weiter: Pfarrer Ludwig Panten, seit dem 15.Februar 1948 neuer Pastor in St. Matthias, fällt die schwierige Aufgabe zu, die zerstörte Kirche wieder aufzubauen. Architekt ist der berühmte Dominikus Böhm, Vertreter einer progressiven Architektur. Er plant eine radikale Umgestaltung. „Böhm gestaltete aus den Trümmern einen völlig neuen Kirchenraum. Statische Probleme zwangen dazu, die gotischen Pfeiler mit Beton zu ummanteln, so dass wuchtige Rundsäulen entstanden“, sagte Ley. „Die besondere Wirkung der Chorraumgestaltung rührt auch von der Kanzel her, die sich um eine neben dem Alter stehende Säule legt“. Am 13.Juli 1952 habe die Gemeinde dann mit Josef Kardinal Frings den ersten Gottesdienst in der wieder aufgebauten „neuen“ Kirche gefeiert.

St. Matthias 1954 innen mit Hochaltar, Holzkreuz von Prof. Böhm und Kanzel um die Säule

1964 unter Pastor Hans Ruthard Heberling und rund zwanzig Jahre später standen erneut umfangreiche Renovierungen an. „Die Luft in der Kölner Bucht hat dem Gestein von St. Matthias böse zugesetzt“, berichtet Hanns Ley. „Eine verrottete Heizung warf für das Innere Probleme auf. Jetzt wird die große Chance ergriffen, St. Matthias ein neues, fröhlicheres Gesicht zu geben. Dazu werden Ergebnisse des Konzils umgesetzt, der Altar näher zu den Betern versetzt“. Außerdem sollte die Kirche eine künstlerische Ausgestaltung erhalten. St. Matthias sollte ein freundlicheres Aussehen erhalten. müsse. Die strenge Kühle des Wiederaufbaus nach dem Krieg, der den ehemals neugotischen Charakter der Kirche völlig veränderte, solle einer fröhlichen Wärme weichen. Allerdings bedauert Ley, dass diese Farbgestaltung derzeit nicht mehr wahrzunehmen sei unter der Schmutzschicht, die sich in den letzten Jahren gebildet hat 

Mit der Ausmalung des Chorraums sei der Kölner Künstler und Bildhauer Walter Prinz beauftragt worden. Sein Gemälde bilde den Kontrapunkt zu dem über dem neuen Altar in der Vierung hängenden Kreuz, das 1952 von Prof. Böhm entworfen worden war und 1984 von Prof. Baum mit einem Korpus ergänzt wurde, der den Leidenden in seiner ganzen Verzerrtheit zeigt. Im Gegensatz dazu stelle das Bild in den Wandsegmenten Christi Sieg über das Kreuz dar. Der Karfreitag über dem Altar werde überstrahlt vom Ostersonntag im Chorraum.

„Walter Prinz erreicht dies durch die ausstrahlende, helle Farbgebung eines riesigen Kreuzes, die sich aus den umgebenden Flächen heraushebt, und vor allem durch diagonal angeordnete Farbfelder, die den Eindruck von aus unsichtbaren Fenstern einfallendem Licht vermitteln, das vom Kreuz ausgeht und gleichzeitig auf es hinweist“, interpretiert Ley den Künstler. Außerdem enthalte die Kreuzgestaltung feine theologische Hinweise auf die heiligen fünf Wunden sowie die Verbindung zwischen den Stätten des Opfers auf dem Altar und dem Kreuzungspunkt der beiden Kreuzbalken in Form eines dunklen in der Altarfarbe gehaltenen Quadrates. Am 29. April 1990 habe die Gemeinde das Ende der Bauarbeiten mit der Weihe durch Bischof Walter Jansen feiern können.

An diesem Nachmittag in St. Matthias spielten auch viele liturgische Symbole rund um eine Kirchweihe eine große Rolle. So machten Ley und sein Team auf die Bedeutung der Taufwasserweihe und die des Ambo als „Tisch des Wortes Gottes“ aufmerksam, wiesen auf die an den Wänden angebrachten Apostelleuchter als „die zwölf Säulen“ der Kirche hin und nicht zuletzt auf den Altar, den „Tisch des Mahles“. In gewisser Weise sei er auch ein Grab, denn im Altar von St. Matthias ruhten Reliquien des Hl. Aurelius und der Hl. Urbana , Märtyrer und Gefährten des Hl. Gereon und der Hl. Ursula. Diese Reliquien hat Kardinal Antonius Fischer bei der Weihe am 25. September 1904 in den damaligen Hochaltar eingefügt. Weihbischof Walter Jansen hat sie am 29. April 1990 bei der Konsekration des von Walter Prinz entworfenen Altars neu eingesetzt. 

Noch auf viele andere Ausstattungsgegenstände in St. Matthias wurden die Zuhörer an diesem Nachmittag hingewiesen. Und so endete unter großem Beifall eine sehr interessante Führung durch St. Matthias, ehe die festliche Messe zum 120-jährigen begann. Nach dem Gottesdienst mit Pfarrer Christoph Hittmeyer, der musikalisch begleitet wurde von Christophe Knabe (Orgel) und Claudio del Popolo (Trompete), trafen sich die Gemeinde und viele ehemalige Bayenthaler zum Gedanken- und Erinnerungsaustausch bei einem von der Metzgerei Thomas Kremer und seinem Team gestifteten reichhaltigen und vorzüglichen Imbiss.